Von den Beschwernissen der letzten Reise – Jenseitsvorstellungen und Seelenglaube

von Kurt Oertel

In einer Veröffentlichung über Moorfunde in Schleswig-Holstein schreibt der Archäologe Herbert Jankuhn:

„Bei Lottorf im Kreise Schleswig gibt es ein kleines Moor, in dem über zehn Lederschuhe, z.T. abgetragene Stücke, gefunden wurden, und da einzelne Schuhe auch in anderen Mooren auftreten, muß hier ein fest umrissener Brauch vorliegen, der es erforderte, daß aus bestimmten Anlässen oder zu ganz bestimmten Zwecken Schuhe auf Mooren niedergelegt wurden. Welche Gedanken die Menschen der alten Zeit damit verbanden, wissen wir nicht.“ 1

Das wissen wir in der Tat nicht. Eine Betrachtung anderer Quellen aber könnte den Blick immerhin in eine bestimmte Richtung lenken. Schuhe waren nämlich auch ein wichtiger Bestandteil des Totenbrauchtums, und die damit verbundenen Vorstellungen, die auf heidnische Denkmuster zurückgreifen dürften, sind dabei noch deutlich erkennbar. Die sogenannten Totenschuhe, auch Hel-Schuhe genannt (altnordisch: helskór) gehörten zu den wichtigsten Dingen, mit denen man Verstorbene auszustatten hatte. Natürlich steht dahinter zunächst einmal die sehr real gedachte Reise in die Jenseitswelt, die der Verstorbene anzutreten hatte, und für die gutes Schuhwerk als genauso unerläßlich galt wie weitere Grabbeigaben auch. Nun gibt es aber eine wenig beachtete Quelle, die heutigen Heiden allein schon deshalb unbekannt ist, weil sie erstmals 1979 vollständig und mit einer deutschen Übersetzung versehen veröffentlicht wurde,2 und die uns möglicherweise interessante Detaileinblicke eröffnet.

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Thorgerd – Göttin, Dise, Fylgja oder Walküre?

von Kurt Oertel

Zu Recht wird wird oft darauf hingewiesen, dass es neben den Hochgöttern der Edda zahlreiche – regional ganz unterschiedliche – Kulte und Wesenheiten gegeben haben muss, deren Verehrung im alltäglichen religiösen Leben aber wahrscheinlich sehr viel wichtiger und präsenter war. Darunter dürften auch etliche der Götternamen fallen, die uns durch römische Quellen für die frühen germanischen Völker auf dem Kontinent überliefert sind. Zwar wird immer wieder versucht, diese Namen mit den eddischen Göttern zur Deckung zu bringen, aber diese Versuche muten oft recht willkürlich an und sind meistens hochspekulativ. Diese Versuche sagen somit viel mehr über heutige Systematisierungsbestrebungen als über die tatsächlichen damaligen Verhältnisse aus. Man muss mit der Erkenntnis leben, dass der germanische (und genauso der keltische) Polytheismus ein unkontrollierbarer Wildwuchs war, der sich alle hundert Kilometer in völlig verschiedener Ausprägung zeigte, das aber natürlich vor dem Hintergrund eines gemeinsamen und identischen Weltbildes. Zwar dürfte bei den großen Volkszusammenkünften den bekannten Hochgottheiten geopfert worden sein, in der alltäglichen Praxis aber dürfte es erhebliche Unterschiede nicht nur zwischen Volk und Stamm, sondern sogar auch zwischen Stamm und Sippe gegeben haben, da man sich mit den alltäglichen Sorgen und Bedürfnissen wahrscheinlich sehr viel eher an Alben und Disen, Haus- und Landgeister, Baum- und Quellwesenheiten und andere regional verehrte Gottheiten wandte. Diese Praktiken sind durch schriftliche Quellen leider nur andeutungsweise überliefert, ein Mangel, der nur unwesentlich dadurch gemildert wird, dass diese Kulte sehr viel hartnäckiger überlebt haben und ihre Spuren in ländlichen Gegenden bis in neuere Zeit verfolgbar sind.

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