Von dicken Zauberern, Bibi Blocksberg und ob es nicht auf Dauer wehtut auf Zäunen zu sitzen. Oder warum wir das Wort Schamanismus benutzen.
Möchte man heute beschreiben, was unsere Vorfahren an Austausch mit der Anderswelt betrieben, kommt man schnell ins Trudeln.
Man könnte alte Begriffe heranziehen, wie zum Beispiel Hagezuse, doch von sicher 70% der Leute wird man gar nicht verstanden und gefragt, ob man Schnupfen hat. Und den anderen 30%, die das Wort kennen wird sich nicht zwangsläufig erschließen, warum jemand denn ausgerechnet auf einem Zaun sitzen sollte.
Man könnte von Magie sprechen, aber mit Pech drängen sich dann Bilder von Prinzessin Lillifee, lila Glitzer und Einhörnern auf. Einhornlibellen sind zwar großartig, helfen aber in diesem Falle nicht weiter.
Also könnte man stattdessen von Hexerei sprechen, doch da schwanken die Bilder im Kopf des Zuhörers womöglich irgendwo zwischen alter Vettel, esoterischem Schwebeteilchen und Bibi Blocksberg.
Aber kein Problem, unsere Sprache gibt selbst heutzutage noch eine Menge an magischen Begrifflichkeiten her. Nehmen wir also das Wort Zauberei, doch womöglich denkt man schnell an fette Männer mit spitzem Hut und im besten Falle noch an einen Kessel mit wahlweise Kräutertee oder Krötenbeinen.
Eigentlich bringen alle diese Worte bestens zum Ausdruck, um was es sich handelt. Leider sind alle diese Begriffe auf die eine oder andere Art negativ behaftet, wirken unseriös, unrealistisch und vor allem schaffen sie es niemals auf eine wissenschaftliche Basis. Aber wie gut, dass es da noch ein anderes Wort gibt das nicht nur mit der Materie Vertraute verstehen – Schamanismus.
Schamanismus, der geliehene Begriff
Ursprünglich einzig beschreibend für die Riten einiger sibirischen Völker wie z.B., Ewenken und Jakuten, hat der Begriff Schamanismus längst die Grenzen der Bedeutung seiner Herkuftskulturen überschritten.
www.Duden.de (20.09.20) zum Wort „Schamane“:
„(bei bestimmten Naturvölkern) mit magischen Fähigkeiten, besonders der Fähigkeit, mit Geistern in Verbindung zu treten, ausgestattete Person, die als Priester, Medizinmann o.Ä. fungiert“
www.Duden.de (20.09.20) zum Wort „Schamanismus“:
“Glaube an die Fähigkeit der Schamanen
Die Frage, ob es solche magische Spezialisten in den germanischen Traditionen gegeben hat, muss auf Grund der Quellenlage mit einem eindeutigen ja beantwortet werden.”
Wandernde Spakonas helfen bei Vorhersagen und der Deutung von Orakeln. Sicher gab es jemanden im Ort, der Krankheit vertreiben und Wunden besprechen konnte. Hebammen, stets dicht am neuen Leben, das ebenso schnell wieder vergehen kann, halfen über die Schwelle vom Jenseits in Diesseits und kaum minder häufig direkt wieder zurück.
Ganze Trauergelage überschritten selbst die Grenze ein Stück um den Toten hinüber zu geleiten. Und immer war Magie zugegen, im kleinen Alltag, wie bei großen Ereignissen.
Das Wort Schamanismus ist längst eingedeutscht und hat ebenso Internationalen Rang erlangt. Es ist ein seriöser Überbegriff für traditionelle magische Praktiken geworden. Denn eines ist Schamanismus sicher nicht – leerer Hokus Pokus.
Rituale, Seidr, Trance und Spau, dass alles sind reale und wirksame Lebenshilfen für Gemeinschaften und einzelne Individuen. Dabei ist es schon fast (aber nur fast 🙂 ) egal ob das Erlebte „nur“ in der Innenwelt passiert ist oder in der Anderen Welt. Entscheidend ist, richtig ausgeführt, hat es einen nachhaltigen Einfluss auf diese Welt. Die Frage nach der Realität dieses Weges bleibt eine Philosophische. So wie du deine Götter nicht beweisen kannst, wirst du auch kaum die restliche Anderswelt beweisen können. Und warum sollte man auch?
Hier soll, und muss, zunächst das Ergebnis genügen.
Jeder Mensch kann mit seinen Göttern in Kontakt treten und kann es auch mit der übrigen Anderswelt. Es ist so ähnlich wie beim Singen, das kann eigentlich jeder der eine Stimme hat, sogar schon Kinder, die Frage ist eben nur wie gut. Und so überlässt man es bei wichtigen Belangen, wie eigentlich alles, denen die damit besonders gut um können. Kleine alltägliche Kontaktaufnahmen, welcher Art auch immer, ist man geneigt selber zu tätigen. Steht womöglich alles auf dem Spiel wird ein Profi geholt. Nicht, weil er ein besserer Mensch ist oder den Durchblick allein für sich gepachtet hätte, sondern einfach weil er es ein bisschen besser und routinierter kann als manch andere.
In der Regel werden nicht alle der jeweiligen Gemeinschaft bekannten schamanischen Techniken zwingend von einer einzelnen Person ausgeübt. Auch die religiöse Tätigkeit eines regionalen Herrschers oder Hofvorstand als Ritualleiter muss damit nicht zwingend in Zusammenhang stehen. Vielmehr ist es wahrscheinlich, dass Personen, die nicht unbedingt aus der Führungsschicht der Gesellschaft stammen, aufgrund spezieller Fertigkeiten spezielle Positionen inne hatten.
Dass schamanische Techniken, wie noch manchmal behauptet, allein aus dem Samischen Kulturkreis zu den Wikingern und damit in den germanischen Bereich gekommen sein sollen, ist mit weitem Blick in die Vergangenheit mehr als unwahrscheinlich. Um nur in aller kürze einige Beispiele zu geben: Schon Funde, die sich der europäischen Bronzezeit zuordnen lassen, belegen deutlich Personen in entsprechenden gesellschaftlichen Positionen (siehe Schamanengrab Bad Dörrenberg). Auch der Name Wodans lässt sich zusammen mit seinem Gesamtkontext eindeutig auf Kundigkeit schamanischer Techniken zurückführen.
Der Sammelbegriff Schamanismus soll dabei nicht ausdrücken, dass die verschiedenen Ausprägungen des Schamanismus weltweit identisch wären und nicht immer müssen in jeder Kultur zwangsläufig alle genannten Elemente vorhanden sein. Doch der Begriff ist ungemein hilfreich für alle Außenstehenden, Laien wie Profis, denn er ermöglicht auch ohne tiefe Kenntnis der einzelnen Techniken, Kulturen oder Riten sich einen groben Überblick darüber zu verschaffen.
Die AG „Schamanismus in Mitteleuropa“
Das germanische Heidentum geht von einer beseelten Natur aus und einer für jeden Menschen erlebbaren Götterwelt. Mit all diesen Geistern und Göttern gilt es allerhand zu erleben, mit ihnen zu verhandeln und zu erfahren. All jenen Gehör zu schenken und in ebensolchem Maße Gehör zu finden mit all den eigenen Belangen.
Die AG „Schamanismus in Mitteleuropa“ widmet sich sowohl der historischen Quellenlage des europäischer Schamanismus, als auch heutiger schamanischer Techniken. Besonderes Ziel der AG ist es entsprechende schamanische Techniken aktiv anzuwenden und weiter zu entwickeln um diese praktikabel in den Alltag heutiger Gemeinschaften zu integrieren.
Die AG versteht sich dabei ausdrücklich nicht als Reenactment, welches ohne spirituelle Bedeutung historischer Belege „nachspielt“. Vielmehr geht es in der Arbeitsgruppe um die Ausübung eines lebendigen Schamanismus, der unserer Gemeinschaft und ihren Mitgliedern dienlich ist. Kernaufgabe ist somit die Entwicklung und Durchführung schamanischer Rituale im Rahmen des germanischen Heidentums. Ein besonderes Setting der Rituale soll dabei die individuelle Bedeutung hervorheben und unterstützen (Festlichkeit, ungestörter Rahmen, Vertraulichkeit, …)